Marie hat sich den Fuss verletzt. Sie hat in der Arztpraxis angerufen und hat einen Termin vereinbart. Sie ist zum ersten Mal bei diesem Arzt und muss deshalb ein Anmeldeformular ausfüllen. Sie erklärt dem Arzt, was passiert ist, und beantwortet seine Fragen.
Marie ist 37-jährig, stammt aus dem Kongo und ist seit fast 6 Jahren in der Schweiz. Sie hat zunächst ungesteuert Deutsch gelernt und besucht nun seit 1 Jahr einen Deutschkurs.
Im vorliegenden Film zeigt Marie eine sprachliche Leistung auf Niveau A1.
Interaktion A1: Marie kann einfache Frage zu ihrer Person beantworten, sie kann mit grosser Mühe erklären, was sie für ein Problem mit ihrem Fuss hat. Die Kommunikation ist aber völlig davon abhängig, dass der Arzt oder die Praxisassistentin Sachen langsam wiederholt oder umformuliert. Der Arzt bekundet z.T. Mühe, seine Fragen für Maria verständlich umzuformulieren. Oft beginnt sie ihre Äusserungen mit Wörtern oder Wendungen, die in die Irre führen. Als der Arzt beispielsweise zum zweiten Mal fragt, wie der Unfall passiert ist, beginnt sie ihre Antwort mit Jetzt. Wahrscheinlich wollte sie aber etwas wie nun oder also sagen. Spektrum A1: Sie verfügt über ein sehr begrenztes Repertoire an Wörtern, Wendungen und Strukturen, aber sie kann die nötigsten Informationen austauschen. Sie kennt einige Wörter aus dem medizinischen Bereich wie z.B. Muskel, Knochen oder stürzen, aber sie hat grosse Mühe, Sätze zu bilden und sich damit klar auszudrücken. Sie unterscheidet nicht zwischen du und Sie. Flüssigkeit A1: Marie braucht lange Pausen zum Verarbeiten des Gehörten. Sie kann nicht umgehend reagieren, wenn sie etwas nicht versteht. Sie schweigt, während sie versucht, den Sinn der Frage zu verstehen. Korrektheit A1: Sie kann kaum einen ganzen Satz bilden. Beispiel: Heute erste Mal ich bin gekommen hier. Sie kommuniziert mit Wörtern und Satzfragmenten. Aussprache: Maria ist schwer zu verstehen, vor allem von Personen, die mit Sprechern aus Marias Sprachgruppe nicht vertraut sind. Dies beeinträchtigt die Verständlichkeit. Bewertungsprozess: Die gezeigte sprachliche Leistung wurde gemäss den Deskriptoren des Gemeinsamen europäischen Referenzrahmens bewertet. Von den insgesamt 7 Teilnehmenden am Bewertungsprozess stuften 4 die Leistung auf Niveau A1 ein und 3 auf Niveau A2. Die Teilbereiche wurden wie folgt bewertet: Interaktion: 1x<A1, 3xA1, 3xA2; Spektrum: 4xA1, 2xA2; Flüssigkeit: 3xA1, 4xA2; Korrektheit: 4xA1, 3xA2. Maries Bewertungen wurden aufgrund der erneuten Abgleichung mit den Deskriptoren nachträglich alle auf A1 herabgestuft.
Die Situation beim Arzt ist anspruchsvoll, da die Patientin genau beschreiben muss, was passiert ist. Ausserdem ist das Thema Gesundheit sehr persönlich und es fällt z.T. schwer, über den eigenen Körper zu reden. Auch kulturelle Unterschiede können die Kommunikation erschweren. Inwieweit dies bei Marie der Fall ist, lässt sich nicht sagen. Maries sprachliche Mittel reichen für die Bewältigung der Situation nicht aus. Auch nonverbal bleibt sie schwach. Sie braucht weder Kompensationsstrategien noch Gesten und Mimik, und sie hat Mühe zu signalisieren, wenn sie etwas nicht versteht. Oft schweigt sie, wirkt genervt oder gibt falsche Signale. Beispielsweise versucht sie z.T. auch dann zu antworten, wenn sie die Frage vermutlich nicht verstanden hat. Sie unterbricht den Arzt und verletzt damit Anstandsregeln. Die Kommunikation ist völlig davon abhängig, dass der Arzt und die Praxisassistentin die Verantwortung für die Verständigung übernehmen. Dazu gehört, dass sie sich immer wieder bemühen und genau überlegen, wie sie etwas möglichst einfach sagen, dass sie langsam sprechen, nachfragen, umformulieren usw. Selbst dann ist es für den Arzt oft nicht klar, ob Marie ihn verstanden hat oder was genau ihr Anliegen ist. Dies macht das Gespräch schwierig und die Kommunikation kommt nicht richtig in Gang. Dass Marie eine Diagnose gestellt bekommt und behandelt wird, ist fast ausschliesslich Verdienst des Arztes.
Das Diagramm zeigt Maries Leistungen in den zwei Filmen und dem schriftlichen Text auf einen Blick.
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